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11. April - Ferdinand Lassalle
Kalenderblatt: 11.4.2025
„Möge, wenn ich beseitigt werde, irgendein Rächer und Nachfolger aus meinen Gebeinen auferstehen!“
Mit diesem Satz beendete Ferdinand Lassalle (1825 - 1864) eine seiner letzten Reden, die sogenannte Ronsdorfer Rede am 22.5.1864 anlässlich des ersten Jahrestages des von ihm maßgeblich gegründeten Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV). Heute ist Ronsdorf ein Ortsteil von Wuppertal.
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Der ADAV („Lassalleaner“) war die erste sozialdemokratische Organisation im deutschen Sprachraum und fusionierte 1875 in Gotha mit der 1869 von August Bebel und Wilhelm Liebknecht gegründeten Sozialdemokratischen Arbeiterpartei (SDAP) („Eisenacher“). Die entstandene Sozialistische Arbeiterpartei (SAP) hieß ab 1890 Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD) und ist heute die älteste Partei Deutschlands.
Ferdinand Lassalle wurde am 11. April 1825, vor genau 200 Jahren, in Breslau als Sohn des wohlhabenden jüdischen Seidenhändlers Heyman Lassall geboren. Das französierende e am Ende seines Namens legte sich Lassalle als junger Mann später zu.
Nach dem Besuch des Gymnasiums und einem kurzen Besuch der Handelsschule in Leipzig studierte er entgegen dem anfänglichen Widerstand seines Vaters an den Universitäten in Breslau und Berlin Geschichte, Archäologie, Philosophie und Philologie.
Lassalle war stark an intellektuellen Dingen interessiert und widmete sich ausgiebig der Philosophie Hegels und anderer Denker seiner Zeit. So kam er zu demokratischen und sozialistischen Ideen. Er begrüßte den Schlesischen Weberaufstand von 1844, eine der ersten proletarischen Erhebungen im Deutschen Bund.
Lassalles Biographie deutet darauf hin, dass er ein Mensch mit großem Selbstwertgefühl war, der sich zu behaupten wusste und zuweilen recht eigenwillig wirkte. Auch das oben angeführte Zitat deutet auf eine gewisse Eigenwilligkeit hin.
Als Zwölfjähriger forderte er einen Nebenbuhler schriftlich zum Duell. Es ging um ein vierzehnjähriges Mädchen. Viel später wurde ihm eine ähnliche Sache zum Verhängnis: Er forderte einen Mann zum Duell, da dieser die Heirat seiner Tochter mit Lassalle strikt ablehnte. Der Vater nahm an, und der von ihm ausgewählte Bräutigam vertrat ihn im Duell. Lassalle wurde schwer getroffen und verstarb drei Tage später am 31. August 1864 im Alter von 39 Jahren im schweizerischen Carouge.
Ferdinand Lassalle vertrat jahrelang und letztlich erfolgreich die zwanzig Jahre ältere Sophie Gräfin von Hatzfeldt (1805 - 1881) in einem Scheidungsprozess. Aus Dankbarkeit unterstützte diese ihn großzügig, war zeitweilig seine Lebensgefährtin, wandte sich seinen Ideen zu, vertrat diese auch nach Lassalles Tod und war im ADAV tätig, was zu dieser Zeit nicht nur ungewöhnlich war, sondern vielen Männern nicht gefiel.
Während der Revolution von 1848/49 kam Lassalle erstmalig mit Marx und Engels in Kontakt, las das Kommunistische Manifest, schrieb auch selbst Artikel für die von Marx geleitete Neue Rheinische Zeitung. Eine angestrebte Mitgliedschaft im Bund der Kommunisten wurde wegen Lassalles Verstrickung im Hatzfeldt-Prozess abgelehnt.
Ein Gefängnisaufenthalt wegen revolutionärer Tätigkeit erwies sich insofern für ihn als günstig, weil so Lassalle nicht in den Kölner Kommunistenprozess verwickelt wurde. So konnte Lassalle ohne weitere politische Verfolgung, jedoch unter Polizeiaufsicht, in Deutschland bleiben. Er arbeitete politisch illegal weiter und unterstützte die Angeklagten im Kölner Kommunistenprozess 1851/52.
Durch die Unterstützung der Gräfin von Hatzfeldt konnte sich Lassalle voll seinen publizistischen und politischen Aktivitäten widmen. Er schrieb einige Werke, darunter das Drama Franz von Sickingen.
Trotz des Austausches mit Marx und Engels blieb Lassalle unter Hegels philosophischem Einfluss. So fasste er den Staat als Verkörperung der allgemeinen menschlichen Sittlichkeit auf. 1859 veröffentlichte er die Schrift Der italienische Krieg und die Aufgabe Preußens. Lassalle plädierte für eine Stärkung der Stellung Preußens in Deutschland, was ihm heftige Kritik von Marx, Engels und anderen einbrachte.
Lassalle wandte sich an die wiederauflebende deutsche Arbeiterbewegung, arbeitete seine Vorstellungen hierzu aus und forderte, dass sich die Arbeiter zu einer eigenen Partei zusammenschlössen, ihre Interessen bündelten und Genossenschaften gründeten. Damit gab er wesentlichen Anstoß zur Gründung der Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV). Dieser wurde dann am 23.5.1863 in Leipzig gegründet, und Lassalle wurde sein erster Präsident.
Lassalles Hauptforderungen waren das allgemeine, gleiche und direkte Wahlrecht sowie die Errichtung von Produktivgenossenschaften mit staatlichen Vorzugskrediten. Damit erweckte er Illusionen, friedlich und mit Hilfe des Staates in den Sozialismus hineinzuwachsen. Er trat auch mit Bismarck in Kontakt, um diesen zur Einführung des allgemeinen Wahlrechts zu überreden, im Gegenzug wollte Lassalle Bismarck unterstützen. Im ADAV gab es von Wilhelm Liebknecht und anderen eine Opposition gegen Lassalle.
Lassalles Tod nach dem Duell 1864 kam sicher unerwartet, seiner wurde von vielen gedacht und seine Leistungen wurden gewürdigt. So bezeichnete ihn Engels als „sicher einen der bedeutendsten Kerle in Deutschland“. Und Marx, der zuweilen auch größere Differenzen mit Lassalle hatte, schrieb 1868: „Nach fünfzehnjährigem Schlummer rief Lassalle – und dies bleibt sein unsterbliches Verdienst – die Arbeiterbewegung wieder wach in Deutschland.“
Nach Ferdinand Lassalles Ansicht galt das „Eherne Lohngesetz“, was auf Überlegungen des britischen Ökonomen David Ricardo (1772 - 1823) fußt. Lassalle selbst schrieb dazu, „dass der durchschnittliche Arbeitslohn immer auf den notwendigen Lebensunterhalt reduziert bleibt, der in einem Volke gewohnheitsmäßig zur Fristung der Existenz und zur Fortpflanzung erforderlich ist.“ Ein Steigen des Arbeitslohnes über das Existenzminimum hinaus führt zu einem Absinken des Lohnes, da durch Vermehrung der Arbeiterbevölkerung das Arbeitsangebot größer wird, was den Lohn wieder absenkt. Sinkt der Lohn unter das Existenzminimum, steigt der Lohn wieder, da sich die Arbeiterbevölkerung verringert.
Diese Theorie widerspricht zumindest deutlich der späteren Entwicklung im Kapitalismus, sie klingt auch zu mechanistisch und lässt einen Bezug zu der Bevölkerungstheorie von Thomas Malthus (1766 - 1834) erkennen.
Als Konsequenz dieser Überlegungen hielt Lassalle (wie vordem auch Ricardo) gewerkschaftliche Lohnkämpfe für nutzlos. Stattdessen forderte er gesetzlich festgelegte Löhne und orientierte auf ein allgemeines und direktes Wahlrecht sowie auf Genossenschaften.
In der deutschen Sozialdemokratie hatten die Ansichten Lassalles große Verbreitung. Marx und Engels kritisierten das Eherne Lohngesetz in mehrerlei Hinsicht, als auf veralteten Annahmen beruhend und den Realitäten widersprechend, so z.B. in der Kritik zum Gothaer Programm.
Trotz mancher Irrtümer hatte Ferdinand Lassalle große Verdienste um die frühe deutsche Arbeiterbewegung.
Zu DDR-Zeiten kam er allerding gar nicht gut weg. Im BI Lexikon in einem Band von 1981 ist dann auch zu lesen:
Lassalle, Ferdinand, 1825 – 1864, Schriftsteller; Begr. u. Präs. das Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (s.d.); seine opportunist. Theorien hatten negative Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der deutschen Arbeiterbewegung.
(Michael Wolff, April 2025)