Aktuelles aus dem Bezirk
15. Januar - Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht
„Ich war, ich bin, ich werde sein“ (1)
Am 15 Januar 1919 wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in Berlin von Freikorpssoldaten ermordet. Beide waren bekannte linke Sozialdemokraten, langjährige enge Kampfgefährten, Gründer der Spartakusgruppe 1916 und der KPD zur Jahreswende 1918/1919. Durch ihre brutale Ermordung am selben Tag erschienen sie noch enger zusammengerückt, wurden sie revolutionäre Märtyrer und der Mythos „Karl und Rosa“ war geboren. Das wird nicht ihren vielgestaltigen Persönlichkeiten gerecht, sie waren auch nicht immer einer Meinung.
Damit dieser Beitrag nicht zu lang wird, beschränke ich mich auf Rosa Luxemburg. Karl Liebknecht (13.8.1871 – 15.1.1919) wird an anderer Stelle gewürdigt werden.
Rosa Luxemburg wurde am 5. März 1871 als Rozalia Luxenburg in Zamość, Polen, damals zum zaristischen Russland gehörend, als fünftes Kind einer jüdischen Familie geboren. (Aus dem Namen Luxenburg wurde durch einen behördlichen Schreibfehler Luxemburg, sie selbst nannte sich später nur Rosa.)
Rosa Luxemburg war vielseitig interessiert und konnte, gefördert von ihren Eltern, eine umfassende humanistische Bildung erhalten, eingeschlossen ihre Mehrsprachigkeit. Sie erfuhr schon frühzeitig Diskriminierungen, als polnische Jüdin und Frau, was sie prägte.
Sie hatte ein feines Gespür für Gerechtigkeit und engagierte sich in illegalen polnischen marxistischen Gruppen. Vor der Zarenpolizei floh sie 1888 aus Warschau in die Schweiz. An der Universität Zürich konnte sie studieren und 1897 promovieren, mit magna cum laude zum Thema Die industrielle Entwicklung Polens.
Ab 1898 begannen ihre internationalen Aktivitäten, sie kritisierte Eduard Bernsteins Ideen eines Hinüberwachsens in den Sozialismus mittels Reformen unter Verzicht auf eine sozialistische Revolution. Mit ihrem Buch Sozialreform oder Revolution? (https://www.marxists.org/deutsch/archiv/luxemburg/1899/sozrefrev/) wurde Rosa Luxemburg bekannt und zur Wortführerin der Linken in der deutschen Sozialdemokratie. Ähnlich wie für Bernstein war auch für sie der Marxismus kein fertiges Dogma, und sie befasste sich intensiv mit Marxens ökonomischer Theorie und übte fundierte Kritik an Stellen im 2. Band des Kapitals. Allerdings gingen beide verschiedene Richtungen bei der Aneignung des Marxschen Erbes.
Zu Lenin und den Bolschewiki hatte sie ein solidarisches Verhältnis, sparte jedoch nicht mit Kritik, wo sie diese für nötig befand. So kritisierte Rosa Luxemburg schon frühzeitig Lenins Konzept einer Partei neuen Typus, de facto einer zentralistisch aufgebauten Geheimorganisation von Berufsrevolutionären, die die Arbeiterklasse führen sollte.
Im 1904 erschienenen Artikel Organisationsfragen der russischen Sozialdemokratie legte sie ihre prinzipielle Kritik am elitär-dirigistischen Konzept des Zentralismus (Ultrazentralismus nach ihren Worten) dar, das ihrer Meinung nach die Arbeiterklasse entmündige und sie hindere, eigene Erfahrungen im Klassenkampf zu sammeln, inklusive Fehler zu begehen, auch unter den besonderen Bedingungen in Russland, die Rosa Luxemburg voll bewusst waren. So schrieb sie:
„In der sozialdemokratischen Bewegung ist auch die Organisation, im Unterschied von den früheren, utopistischen Versuchen des Sozialismus, nicht ein künstliches Produkt der Propaganda, sondern ein historisches Produkt des Klassenkampfes, in das die Sozialdemo-kratie nur das politische Bewußtsein hineinträgt.“
(https://www.marxists.org/deutsch/archiv/luxemburg/1904/orgfrage/text.htm)
Hier war Rosa Luxemburg eng bei Marx und Engels, die im Kommunistischen Manifest diese Gedanken ausführten. Sie galt bei Lenins Anhängern als Vertreterin der Spontaneitätstheorie.
Rosa Luxemburg sah in der herausgehobenen Stellung des Zentralkomitees eine Gefahr der Erstarrung und des Machtmissbrauchs, was sich ja leider später voll bestätigte. Interessant ist, dass Rosa Luxemburg in ihrem Artikel auch auf Entgegnungen von Lenin auf ihre Kritik einging, ihre generelle Kritik jedoch nicht zurücknahm. Kurz, es lohnt sich, im Original zu lesen.
Es ist noch zu erwähnen, dass der junge Leo Trotzki etwa zur gleichen Zeit ebenfalls Lenins Parteikonzept kritisierte, obwohl es er später dann selbst führend mit umsetzte.
Rosa Luxemburg nahm am politischen Geschehen, auch außerhalb Europas und Nordamerikas, großen Anteil, was hier nicht gewürdigt werden kann. Wichtig scheint mir, dass für sie Demokratie und Marxismus immer zusammen zu denken seien, und nicht gegeneinander ausgespielt werden sollten. Hier war sie dicht bei Marx und Engels.
Sie begrüßte die Oktoberrevolution 1917 in Russland, äußerte aber prinzipielle Kritik an der mangelnden Demokratie selbst innerhalb der Partei. Im Aufsatz Zur russischen Revolution schrieb sie den berühmten Satz „Freiheit nur für die Anhänger der Regierung, nur für Mitglieder einer Partei – mögen sie noch so zahlreich sein – ist keine Freiheit. Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden.“,
Von dieser prinzipiellen Kritik Rosa Luxemburgs am Partei- und Politikkonzept Lenins war in der DDR wenig Konkretes bekannt, es gab Geraune, ihre Schriften wurde erst Anfang der 70er Jahre in Gänze veröffentlicht. Es wurde möglichst vermieden, über ihre Kritik an Lenin zu sprechen, und wenn doch, so fiel auch das Wort „Luxemburgismus“, was wohl auf Stalin zurückgeht und auch von Thälmann verwendet wurde. Rosa Luxemburg alljährlich am Grab zu ehren war eine Sache, etwas ganz anderes war es, genauer nachzufragen, was sie eigentlich zu wichtigen Fragen zu sagen hatte. Zugegeben, es war zu meiner Zeit nicht mehr so krass wie 1951, als in der DDR-offiziellen Luxemburg-Biografie vom „Kampf gegen die Überreste des Luxemburgismus, der nichts anderes als eine Abart des Sozialdemokratismus darstellt“, zu lesen war. In der Sowjetunion wurde Rosa Luxemburg gern als Adler der Revolution (geht wohl auf Trotzki zurück) gelobt, gleichzeitig wurden ihr „Abweichungen“ attestiert und der Luxemburgismus als eine Art Verirrung gewertet, angeblich nicht zuletzt durch Haft und Krankheit befördert.
(1) Den berühmten Satz „Ich war, ich bin, ich werde sein“ schrieb Rosa Luxemburg kurz vor ihrer Ermordung. Sie war eine bemerkenswerte, scharfsinnige Frau, eine Marxistin und Pionierin der Menschenrechte, ihrer Zeit in manchem voraus.
Weitere Quellen zum Nachlesen (neben Wikipedia):
- Dana Mills Rosa Luxemburg - die Frau, die im Herzen der Revolution gelebt hat in Jüdinnen und Juden in der internationalen Linken (Band 1) (Von der Seite der Rosa-Luxemburg-Stiftung herunterzuladen)
- Hendrik Wallat Staat oder Revolution – Aspekte und Probleme linker Bolschewismuskritik
(Michael Wolff, Januar 2025)