Aktuelles aus dem Bezirk

21. Januar - Wladimir Iljitsch Uljanow (Lenin)

„Gebt uns eine Organisation von Revolutionären, und wir werden Russland aus den Angeln heben!“

Dieser Satz aus der Schrift „Was tun?“, 1902 in Stuttgart unter dem Pseudonym N. Lenin erschienenen, gibt schon einen Hinweis auf Lenins Politik- und Parteikonzept, im Nachhinein auch auf seinen zwischenzeitlichen Erfolg und sein letztliches Scheitern.

Wladimir Iljitsch Uljanow wurde am 22.4.1870 in Simbirsk an der Wolga geboren und starb am 21.1.1924 in Gorki bei Moskau. Ab 1900 verwendete er als Pseudonym den Namen Lenin, „der von der Lena Stammende“, vermutlich, weil er nach Sibirien verbannt wurde. Die Familie hatte deutsch-schwedische Wurzeln mütterlicherseits und russisch-kalmückische väterlicherseits und war wohlhabend. Der Vater war Mathematik- und Physiklehrer an höheren Schulen, später Inspektor und in den erblichen Adelsstand versetzt worden, womit Lenin dann auch ein Adliger nach der zaristischen Rangordnung war.

1886 starb sein Vater, 1887 wurde sein älterer Bruder Alexander, Student an der Universität Sankt Petersburg, wegen Mitgliedschaft in einer revolutionären Gruppe, die Zar Alexander III. ermorden wollte, hingerichtet. Diese Ereignisse prägten den jungen Lenin entscheidend.

Er begann ein Jurastudium an der Universität Kasan, was er aber nur als Externer beenden konnte, da er schon im ersten Jahr wegen Beteiligung an Studentenprotesten der Universität verwiesen wurde.

Bereits in jungen Jahren beschäftigte sich Lenin mit politischen Theorien, unter anderen auch viel mit denen von Marx. Er bereiste mehrere europäische Länder, kehrte nach Russland zurück, gründete eine revolutionäre Organisation, wurde verhaftet und nach Sibirien verbannt, lebte danach wieder im Exil in Deutschland und der Schweiz.

Lenin hatte Marx gründlich studiert und war ein scharfer Denker, jedoch auch und vor allem ein russischer Revolutionär, der für Russland eine revolutionäre Theorie und Strategie entwerfen wollte.

Die Gesellschaft in Russland um 1900 war stark agrarisch geprägt, mit etwa 80% Bauern, 10% Kleinbürgern, aber nur rund 4% Arbeitern. Von letzteren waren nur ein Teil Industriearbeiter, vorwiegend in den Zentren Sankt Petersburg, Moskau, Donezbecken.

Im zaristischen Russland konnten revolutionäre Gruppen und Organisationen der Arbeiter nur illegal arbeiten, um der Geheimpolizei und ihren Spitzeln zu entgehen.

Die entwickelten westeuropäischen Länder waren nicht nur stärker industrialisiert und hatten somit einen wesentlich größeren Anteil von Industriearbeitern an der Gesamtbevölkerung, sondern es gab auch legale Gewerkschaften und Arbeiterparteien, in denen eine demokratische Willensbildung stattfinden konnte.

Diese wesentlichen Unterschiede zwischen Russland einerseits und Westeuropa andererseits bedingten Lenins Überlegungen zur Anwendung des Marxismus, der für ihn kein Dogma war.

In „Was tun?Brennende Fragen unserer Bewegung“ legte Lenin ausführlich sein Konzept einer Partei neuen Typus dar, einer revolutionären, streng zentralistisch aufgebauten konspirativen Organisation aus Berufsrevolutionären, die der Arbeiterklasse sozialistisches Bewusstsein vermitteln und diese zum Sturz des Zarismus und zur sozialistischen Revolution führen sollte.

(https://www.marxists.org/deutsch/archiv/lenin/1902/wastun/?utm_source=chatgpt.com)

Auf dem 2. Parteitag der Sozialdemokratischen Partei Russlands 1903 in London konnte sich Lenin in wesentlichen Punkten mit seinem Parteikonzept durchsetzen, die Mehrheit nannte sich Bolschewiki (Mehrheitler, von ru. bolschinstwo - Mehrheit), die unterlegene Minderheit Menschewiki (von menschinstwo - Minderheit). Damit trat der Bolschewismus ins Leben, eine der wirkmächtigsten politischen Strömungen des 20. Jahrhunderts.

Rosa Luxemburg (s. Kalenderblatt über sie) und der junge Leo Trotzki kritisierten das Parteikonzept Lenins prinzipiell als undemokratisch und zentralistisch, als die Arbeiterklasse entmündigend. Es soll hier nicht näher darauf eingegangen werden. Hendrik Wallat befasst sich in seinem Buch Staat oder Revolution – Aspekte und Probleme linker Bolschewismuskritik ausführlich damit anhand vieler Originalzitate.

Es bleibt festzuhalten, dass Lenin mit diesem Konzept einer Avantgardepartei, die in einem agrarisch geprägten, rückständigen Land unter despotischer Regierung die proletarische Revolution vorbereiten und durchführen sollte, wesentlich Marx und Engels revidierte.

Diese gingen davon aus, dass eine proletarische Revolution in entwickelten kapitalistischen Ländern stattfinden würde, in denen die Arbeiterklasse eine große Mehrheit der Bevölkerung stellt, so dass „die proletarische Bewegung die selbständige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Interesse der ungeheuren Mehrzahl“ wäre, wie es im Kommunistischen Manifest heißt. Deshalb ist die Theorie von Marx und Engels eine demokratische, trotz des Gebrauchs des Begriffs „Diktatur des Proletariats“, was bei ihnen „Herrschaft des Proletariats“ bedeutet.

Die Form einer solchen Herrschaft war für Marx und Engels die parlamentarische Republik.

Bei Lenin hingegen ist es „die kleine Partei der Berufsrevolutionäre, die mit Hilfe der Mehrheit der (verschwindend kleinen) Arbeiterklasse die Macht erobert und nun diese Macht nutzt, Bedingungen zu schaffen, ihrer Herrschaft durch ein Bündnis vor allem mit der bäuerlichen Mehrheit des Volkes auch eine demokratische Legitimation zu geben.

Deshalb ist die Leninsche Theorie eine elitär-dirigistische mit demokratischem Anspruch“ (Heinz Niemann Vorlesungen zur Geschichte des Stalinismus, Dietz Berlin, 1991, S. 66)      

Eine solche Theorie hat neben Chancen auch Nebenwirkungen, wovor nicht nur gewarnt wurde, sondern die später auch eintraten.

Der Erfolg gab Lenin erst einmal Recht. Die Oktoberrevolution am 7.11.1917 (25.10.1917 nach julianischem Kalender, daher Oktoberrevolution) sowie die Beschlüsse des 2. Allrussischen Sowjetkongresses, der ab 7.11.1917 tagte, sehe ich als vorläufigen Höhepunkt von Lenins Wirken. Der Kongress setzte den Rat der Volkskommissare mit Lenin an der Spitze als Regierung des revolutionären Russlands ein (zeitweilig eine Koalitionsregierung aus Bolschewiki und Linken Sozialrevolutionären) und nahm wichtige Dekrete an: Das Dekret über den Frieden (Frieden ohne Annexionen und Reparationen), das Dekret über den Boden (Enteignung des Großgrundbesitzes, Nationalisierung des Bodens, Übergabe an die Bauern zur Nutzung), das Dekret über die Rechte der Völker Russlands (Selbstbestimmung, bis hin zur Schaffung eines eigenen Staates – war in allen sowjetischen Verfassungen verankert, war auch Grundlage für die Auflösung der Sowjetunion per 31.12.1991).

Diese Dekrete entsprachen dem mehrheitlichen Willen des Volkes, Lenin und die Bolschewiki hatten hier den Nerv der Menschen getroffen.

Eine Fortsetzung zu Lenins Wirken, Scheitern und den Folgen daraus erfolgt in einem Kalenderblatt am 22.4.2025 anlässlich seines 155. Geburtstages.

Lesenswert: Artikel von Michael Brie „Sieben Gründe, Lenin nicht den Feinden zu überlassen“ (Auf der Seite der Rosa-Luxemburg-Stiftung herunterzuladen)

(Michael Wolff, Januar 2025)