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22. Februar - August Bebel
„Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf“
Auf diesen, allgemein August Bebel zugeschriebenen Satz werde ich später zurückkommen.
August Bebel wurde am 22.2.1840 in Deutz bei Köln geboren und starb am 13.8.1913 in Passugg im Kanton Graubünden in der Schweiz. Er stammte aus ärmlichen Verhältnissen, sein Vater war Unteroffizier und verstarb früh. Wegen der schwierigen finanziellen Lage konnte August Bebel kein Bergbaustudium beginnen, er lernte das Drechslerhandwerk.
Nach der Lehre ging er wie damals üblich auf Wanderschaft, kam durchs Land und schloss sich einem katholischen Gesellenverein an. Er war sehr an Bildung interessiert, kam mit liberalen und demokratischen Ideen in Kontakt und trat dem Gewerblichen Bildungsverein bei, deren Zweiter bzw. Erster Vorsitzender er von 1862 bis 1872 war.
Im Laufe der Zeit wandte sich Bebel vom Liberalismus ab und dem Sozialismus zu. Großen Einfluss hatte dabei auch Wilhelm Liebknecht (1826 - 1900), den er seit 1865 kannte, und der in London langen Kontakt zu Marx und Engels hatte. So kam Bebel zur Überzeugung, dass der politische und soziale Kampf der Arbeiter zusammengehören und sich die Arbeitervereine von den Liberalen lösen sollten.
Ab dieser Zeit arbeiteten Bebel und Liebknecht eng zusammen, wenn auch nicht immer konfliktfrei. Beide gründeten 1866 die radikaldemokratische Sächsische Volkspartei, die sich später mit anderen Gruppen in die 1869 gegründete Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) zusammenschloss. Am erfolgreichen Verlauf dieses Eisenacher Parteitags (daher die Bezeichnung Eisenacher für die Anhänger der SDAP) waren Bebel und Liebknecht führend beteiligt. Auch das angenommene Eisenacher Programm war im Wesentlichen ihr Werk.
1875 kam es in Gotha zum Vereinigungsparteitag der SDAP und des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV), der von Ferdinand Lassalle (1825 - 1864) gegründet und lange geführt wurde. Bebel und Lassalles Anhänger vertraten teils recht unterschiedliche Ansichten, und so wurden Kompromisse nötig, auch im Gothaer Programm, das von Marx und Engels deutlich kritisiert wurde. Die Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei von Marx wurden allerdings erst postum 1891 veröffentlicht.
Von 1867 bis zu seinem Tode 1913 war August Bebel mit einer kurzen Unterbrechung Mitglied des Reichstages, zuerst des Norddeutschen Bundes, danach des Deutschen Reiches. Er war ein guter Redner und bereitete sich gewissenhaft vor, insbesondere, wenn es um Gesetze ging, die die soziale oder rechtliche Lage von Arbeitern, Frauen oder Kindern betrafen. Er erwarb sich Respekt und Anerkennung über Parteigrenzen hinaus.
Im Unterschied z.B. zu Wilhelm Liebknecht sah er im Parlament mehr als eine Bühne für revolutionäre Propaganda, ohne jedoch darauf zu verzichten, das System scharf zu kritisieren. Es blieb nicht aus, dass er dafür mehrmals angeklagt und zu Haft verurteilt wurde.
Ab 1892 war August Bebel bis zu seinem Tode 1913 einer der beiden Vorsitzenden der SPD und entwickelte sich zum anerkannten Führer der deutschen Sozialdemokratie.
Somit war August Bebel Zeuge und Gestalter des Aufstiegs der deutschen Arbeiterbewegung von den Bildungsvereinen bis zur sozialdemokratischen Massenpartei, die besonders nach dem Fall des Sozialistengesetzes 1890 wuchs und ihren Einfluss verbreitern konnte.
In Bebels politischer Biographie begegnen uns viele Fragen und Konflikte, die auch heute noch, oder auch wieder, die Arbeiterbewegung und linke Parteien umtreiben, ja auch spalten. Es ging und geht um das Verhältnis von parlamentarischer und außerparlamentarischer Arbeit, um Kompromiss oder Fundamentalopposition, um das Verhältnis zwischen linker Partei und Gewerkschaften, um Außenpolitik, um Reform oder Revolution, um politischen Massenstreik.
Der „Revisionismusstreit“ ab den 90er Jahren hielt auch Bebel in Atem. Er wandte sich gegen die Ansichten von Vollmar, Bernstein (s. Kalenderblatt über ihn) u.a., die Revisionisten oder auch Reformer genannt wurden. Trotz seiner Freundschaft mit Bernstein lehnte Bebel dessen Ideen entschieden ab, da er die Grundlagen der Partei bedroht sah. Neben Karl Kautsky (1854 - 1938) gehörte August Bebel zum „marxistischen Zentrum“, während Rosa Luxemburg (s. Kalenderblatt über sie) den revolutionären Flügel anführte.
Bebel gelang es, teilweise mit Mühe, er konnte sich nicht in allen Fragen auf Parteitagen durchsetzen, die Partei trotz der drei unterschiedlichen Strömungen zusammenhalten und wesentliche marxistische Programmpunkte zu bewahren.
Interessant sind Bebels eigene Vorstellungen über die weitere Entwicklung der Gesellschaft. Er war erklärte Gegner des Kapitalismus, besonders desjenigen in der kaiserlichen preußisch-deutschen Ausführung, und hielt an marxistischen Grundsätzen fest. Andererseits versuchte er, mit praktischer Politik die Verbesserung der Lebenslage der arbeitenden Bevölkerung zu verbinden und hielt nicht dogmatisch an Lehrsätzen fest. Wie viele damalige Revolutionäre war er der Ansicht, dass das Ende der bürgerlichen Gesellschaft kurz bevorstehe und ließ am Endziel – Errichtung des Sozialismus – keinen Zweifel. Bebel erwartete die Revolution als sich gesetzmäßig ereignenden „großen Kladderadatsch“, den die Sozialdemokratie nicht gezielt herbeizuführen bemüht sein müsse. Er hatte vergeblich gehofft, mit der SPD bei Wahlen die absolute Mehrheit zu erringen. Der Einfluss der SPD auf die Landbevölkerung war dafür zu gering. Um das zu ändern schlug Bebel ein Agrarprogramm vor, dass jedoch auf dem Parteitag 1895 keine Mehrheit fand. Kautsky befand, dass es zu weit von marxistischen Prinzipien abwiche.
An dieser Stelle kommen wir auf den Satz mit Ochs und Esel in der Überschrift zurück. Ich konnte, auch mit Hilfe der KI, keine Quelle finden, die Bebels Urheberschaft bestätigte, nur, dass Erich Honecker diese Aussage August Bebel zuschrieb und in Reden zitierte. Dieser Satz passt inhaltlich zu ihm, da Bebel annahm, der Sturz des Kapitalismus und der Sozialismus kämen „gesetzmäßig“, dass die sozialistische Bewegung weder Ochs noch Esel aufhalten können. Den politischen Kampf wollte Bebel allerdings nicht aufgeben. (Etwas problematisch ist, da wegen fehlender Quelle auch der mögliche Kontext der Ochs-und-Esel-Aussage nicht bekannt ist. Falls jemand mehr weiß, für Hinweise bin ich dankbar.)
Bebel unterschied sich damit von Bernstein, für den die Bewegung alles, das Ziel nichts war, aber auch von Rosa Luxemburg, die eine aktive Rolle der Sozialdemokratie zur Vorbereitung auf die Revolution einforderte, wie es auch Lenin propagierte (s. Kalenderblätter über ihn).
Es bleibt festzuhalten, dass alle gerade Genannten an dem auf Marx zurückgehenden Geschichtsdeterminismus festhielten, die einen sahen dabei die Arbeiterklasse und ihre Partei mehr oder gänzlich in einer passiven, die anderen in einer aktiven Rolle.
Interessant ist auch die Haltung zum politischen Massenstreik, nicht zuletzt aufgrund der Revolution 1905 in Russland. Rosa Luxemburg sah in ihm ein aktives Mittel des politischen Kampfes, Bebel und Bernstein hingegen wollten ihn nur als Mittel im Notfall zur Verteidigung politischer Rechte eingesetzt wissen, wie es etwa später während des Kapp-Putsches im März 1923 geschah, als Arbeiterparteien und Gewerkschaften zum erfolgreichen Genrealstreik aufriefen.
August Bebel war als Autodidakt auch publizistisch tätig. Obwohl er sich nicht als sozialistischen Theoretiker sah, trugen seine Schriften zur Entwicklung der sozialdemokratischen Partei bei. Sei größter Erfolg auf diesem Gebiet war die Schrift Die Frau und der Sozialismus, die 1879 erstmalig und danach viele Male, auch in viele Sprachen übersetzt, erschien.
www.projekt-gutenberg.org/bebel/frausoz/frau0041.html
Bebel war hier seiner Zeit voraus, er forderte die berufliche und politische Gleichstellung der Frau. Er verband die Darstellung der Lage der Frau mit grundlegender Kritik an den gesellschaftlichen Verhältnissen. Erst der Sozialismus brächte das Ende der Diskriminierung der Frau.
(Michael Wolff, Februar 2025)