Aktuelles aus dem Bezirk

Neue Stolpersteine in Mahlsdorf

Nur wenige Menschen leben noch, die die Zeit des Nationalsozialismus selbst erlitten haben. Jede nachfolgende Generation ist aufgefordert, diese beispiellose Zeit in der Geschichte und ihre Opfer dem Vergessen zu entreißen, wenn auch der letzte Zeitzeuge nicht mehr befragt werden kann. Der 1947 in Berlin geborene Kölner Bildhauer Gunter Demnig hat eine eindrucksvolle Form der Erinnerung gefunden. Seit 1996 verlegt er Stolpersteine an den ehemaligen Wohnorten von Verfolgten des Naziregimes und gibt damit den anonymen Opfern Namen und Hausnummer. Über 4.000 sind es inzwischen. Die Kosten dafür werden durch freiwillige Spenden aufgebracht. Am 6. Oktober 2023 hat der Künstler im Beisein von Einwohnern und Initiatoren der Aktion die neuesten vier Stolpersteine in Mahlsdorf-Süd verlegt. Zwei Steine erinnern an Charlotte und Johann Przybilla, die politisch Verfolgte beherbergt und aktiven Widerstand gegen die Nazis geleistet haben, wofür dem Ehepaar 1943 der Prozess gemacht wurde. Johann Przybilla wurde im Zuchthaus Brandenburg inhaftiert, wo er dann, noch kurz vor der Befreiung, starb. Seine Frau Charlotte konnte schwerkrank noch untertauchen. Im Beisein von Dorothee Ifland, Leiterin des Bezirksmuseums Marzahn-Hellersdorf und Dagmar Poetzsch vom Arbeitskreis Stolpersteine des DGB Bezirksverbandes Ost, würdigte Dr. Uwe Klett vom Ortsverband Mahlsdorf/Kaulsdorf der Partei die LINKE das Ehepaar Przybilla, das hier, in der Wielandstr. 20, seinen letzten Wohnsitz hatte.

Alice Herz und ihre Tochter Helga waren jüdischer Abstammung. In der Weimarer Republik verbrachte die Familie Herz eine glückliche Zeit in Mahlsdorf-Süd, in einem Haus mit parkartigem Garten. Ehemann und ein Sohn starben noch in den 1920er Jahren. Nach dem Machtantritt der Nazis wurden Alice und Helga Herz ins Exil nach Frankreich und die USA vertrieben, wo sie sich als überzeugte Pazifistinnen und Frauenrechtlerinnen einen Namen machten. Bis ins hohe Alter setzten sie sich mit aller Konsequenz für Frieden und Abrüstung ein. In der Akazienallee 4, dem Wohnort der Familie vor dem Exil, verlegte Gunter Demnig den dritten und vierten Stolperstein zu Ehren von Alice und Helga Herz. Frau Sabine Krusen, ehemalige Leiterin des Frauentreffs HellMa, und Dagmar Poetzsch sprachen würdigende Worte.

Die Stolpersteinverlegung hat sichtbar bewegt, es gab viele Gespräche und Fragen. So zum Beispiel, warum der Name „Stolperstein“ laute, man stolpere doch nicht wirklich darüber. Als Antwort erzählte Gunter Demnig eine Begebenheit mit einem Schüler, der auf diese Frage antwortete, man stolpere über einen solchen Stein doch nicht mit den Beinen, sondern mit dem Herzen und dem Kopf. Die Anwesenden nahmen es auf als ein gutes Beispiel lebendiger Geschichtsvermittlung. Auch GenossInnen des Ortsverbandes der LINKEN war es eine Herzensangelegenheit, für die neuen Stolpersteine zu spenden.

 

 

STEFAN TAUBE